Wie motiviere ich mein Pferd für die Bodenarbeit?


Welche Faktoren spielen für die Motivation meines Pferdes in unserer Zusammenarbeit am Boden eine Rolle und wie kann ich diese möglicherweise positiv beeinflussen?

,,Mein Pferd hat keine Lust auf Bodenarbeit!"
,,Egal, was ich versuche, mein Pferd hat nicht den gleichen Spaß wie ich."
,,Bodenarbeit? Mein Pferd ist nicht verspielt genug dafür."

Aussagen, die nicht unbedingt falsch sein müssen. Nicht selten sehen wir Pferde, die bei der Bodenarbeit desinteressiert und träge wirken, mit der Aufmerksamkeit überall nur nicht bei ihrem Menschen sind.
Es stellt sich allerdings die Frage - WARUM?

Anstatt diese Erkenntnis einfach zu akzeptieren und den Problemen aus dem Weg zu gehen, sollten wir uns die Mühe machen, nach den Ursachen zu suchen.
Pferde sind von Natur aus harmoniebedürftig und neugierig. Sie wollen gefallen, uns verstehen und sind sehr geduldig mit unseren Fehlern.
Genau diese Wesenszüge kommen uns Menschen in der Partnerschaft mit den Pferden oft zugute.
Wie kann ich also herausfinden, warum mein Pferd die Lust an der Bodenarbeit verloren hat und nicht mit der gleichen Freude dabei ist wie ich?

,,Motivation ist das Bestreben etwas zu tun."

Vielleicht sollten wir das Ganze einmal von der anderen Seite her angehen und uns die Frage stellen: Wann sind wir eigentlich motiviert auf der Arbeit und welche Faktoren beeinflussen unsere Motivation positiv?

Wir müssen entscheiden, in welcher Situation welches Lob für unser Pferd am geeignetsten ist.
Wir müssen entscheiden, in welcher Situation welches Lob für unser Pferd am geeignetsten ist.
1. Geld = Belohnung
Mit Sicherheit ist das der erste Faktor, der den meisten von uns in den Sinn kommt. Was für uns das Geld und Anerkennung ist, ist für unsere Pferde die Belohnung, die auf ganz verschiedene Weise in Form von Leckerlis, Stimmlob, Berührung, Pausen, Lieblingsübungen, etc. ausfallen kann.
Für jedes Pferd ist eine andere Art der Belohnung am besten geeignet. Hier ist es nun unsere Aufgabe herauszufinden, welches Lob in welcher Situation am geeignetsten ist. Abgesehen von den Leckerlis zählt hier, je mehr ich loben kann, desto besser!
Gerade wenn ein Pferd in der Bodenarbeit eher zurückhaltend ist und überzeugt werden will, ist es wichtig, dass wir möglichst viele Gelegenheiten finden, in denen wir ausgiebig belohnen können.

2. Freundliche Kollegen = sympathischer Mensch
Für uns ist eine kollegiale und freundliche Stimmung auf der Arbeit wichtig, um mit Freude täglich dorthin zu gehen, so ist das auch für unsere Pferde.
Der Mensch, mit dem sie arbeiten sollen, holt sie aus ihrer Herde und vielleicht auch aus der beliebten Futterstelle der Wiese oder dem schützenden Stall heraus. In der freien Natur würde das Verlassen der Herde den sicheren Tod für die meisten Pferde bedeuten.


Der Mensch muss ihnen also ziemlich sympathisch sein und sie fair behandeln, damit das Ganze auch für das Pferd einen Sinn macht und lohnenswert wirkt.
Warum sonst sollten sie sich kooperativ und motiviert hinsichtlich der gestellten Aufgaben zeigen?
Wir müssen also einen Weg finden, uns für das Pferd zu einem sympathischen Menschen zu machen.
Hierzu zählt zum Beispiel, dass wir uns über Fortschritte bzw. richtige Reaktionen auf unsere Fragen authentisch freuen und falsche Antworten fair und angemessen korrigieren.
Auch, dass wir uns Zeit nehmen für ihre besonderen Bedürfnisse wie z.B. das Kraulen an Stellen, die sie selbst schwer erreichen, ist eine Möglichkeit, sich liebenswert zu machen.

Einfach mal gemeinsam die Zeit genießen, entschleunigt den Alltag ungemein.
Einfach mal gemeinsam die Zeit genießen, entschleunigt den Alltag ungemein.
3. Kein Zeitdruck = kein mentaler Stress
Eine entspannte Arbeitsatmosphäre, bei der es keinen spürbaren Zeitdruck gibt, lässt sowohl uns, als auch unsere Pferde physisch entspannen und trägt einen großen Teil zur Motivation bei.
Wir sind es gewohnt, dass unsere Köpfe voll sind mit Dingen auf unserer To-Do-Liste. Hektik und Zeitdruck bestimmen unseren Alltag.
Wer kennt das nicht? Es ist schon dunkel, wenn man im Winter aus der Arbeit herauskommt, aber man muss noch schnell zum Stall, denn das Pony muss bewegt werden.
Die letzten 23 Stunden aber konnte unser Pferd entspannt verbringen und versteht überhaupt nicht, warum wir völlig abgehetzt und mit den Gedanken schon beim Kochen für den nächsten Tag an ihm herumzerren.
Freudige und motivierte Mitarbeit kann so sicher nicht entstehen. Wir müssen unseren Kopf zur Ruhe bringen.
Um dies zu erreichen, sollten wir öfter von unseren Plänen ablassen und bei mangelnder Zeit auch einfach das Zusammensein mit unseren Pferden genießen anstatt unseren Zeitplan im Stall unbedingt mit Aufgaben füllen zu wollen.

4. Kein Erfolgsdruck = Der Weg ist das Ziel
Erfolgsdruck und Konkurrenzgedanken sind die prägnantesten Stressfaktoren der heutigen Zeit. Die gesteckten Ziele werden immer größer und grenzenloser. Jeder möchte der Beste / die Beste sein und aus der Masse hervorstechen.
In der Zusammenarbeit mit unseren Pferden führt diese Einstellung aber oft zu Missverständnissen und Frust.
Wir sollten uns daher viel öfter bewusst machen, dass letztlich nicht das Ergebnis das Ziel sein sollte, sondern der gemeinsame Weg dorthin.
Dabei sind Fehler kein Zeichen von Schwäche, sondern ein gemeinsames Wachsen an den Aufgaben. So baut sich Vertrauen und eine respektvolle Partnerschaft auf, auf die man wirklich stolz sein kann.

Beim kleinen Sahim siegt die Neugier.
Beim kleinen Sahim siegt die Neugier.
5. Interessante Aufgaben = Abwechslung
Auf eine immer gleiche, weiße Wand zu schauen, ist für uns genauso trist wie für unsere Pferde.
Egal ob Stangen, Hütchen, Fahnen, Plastik, Schirme oder ähnliches, optische Reize sind das A und O in Sachen Motivation. Hier können wir unserer Fantasie freien Lauf lassen und immer wieder neue Aufgaben kreieren.
Dabei geht es nicht einfach nur um die Abwechslung fürs Auge, sondern insbesondere darum, an Problemen zu arbeiten und diese gemeinsam zu lösen.
So bilden sich neue Nervenverbindungen (Synapsen) und auch das Band zwischen uns und unseren Pferden wird gestärkt.

6. Verständnis = Kommunikation
,,Kommunikation ist der Austausch oder die Übertragung von Informationen mittels Sprache oder Zeichen."
Wenn wir unsere Kollegen auf der Arbeit nicht verstehen, deren Handeln und Gedankengänge nicht nachvollziehen können, haben wir auch keinen Spaß an der Zusammenarbeit. Schnell entsteht Frust und schlechte Laune.
Schlussfolgerung: Wir schirmen uns ab und neigen dazu, unser eigenes Ding zu machen.
Um mit unseren Pferden klar und verständlich kommunizieren zu können, reicht die Sprache allein nicht aus.
Wir müssen uns unserer Körpersignale und der Energie, die wir aussenden, bewusst sein. Klare, verständliche und gleichbleibende Zeichen sind dabei mehr als hilfreich.
Ein großer Unterschied ist dabei die Bodenarbeit im Vergleich zum Reiten!
Von oben können wir zwar teilweise mit der Stimme kommunizieren, haben aber hauptsächlich nur unseren Sitz, über den wir Signale senden. Das Pferd sieht uns dabei nicht.
Bei der Bodenarbeit ist das anders. Jede unserer Bewegungen, selbst unsere Atmung, wird vom Pferd detailgenau wahrgenommen und interpretiert.
,,Wir können nicht nicht kommunizieren. (Paul Watzlawik)" und dessen müssen wir uns jederzeit bewusst sein.

Sozialkontakte sind insbesondere für die Psyche der Pferde wichtig und notwendig.
Sozialkontakte sind insbesondere für die Psyche der Pferde wichtig und notwendig.
7. Gesundheit = Artgerechte Haltung und Pflege
Nur wenn ich mich psychisch und physisch fit fühle, kann ich auch engagiert an meine Aufgaben gehen. Diese beiden Faktoren sind nicht voneinander zu trennen.
Welche Faktoren spielen aber die wichtigste Rolle für das körperliche und geistige Wohlbefinden unseres Pferdes?
Dazu zählen neben einer artgerechten Haltung mit Sozialkontakten in einer Herde, viel Auslauf mit der Möglichkeit für Schutz im Unterstand auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Berufsgruppen von Tierarzt, Hufschmied, Osteopath / Physiotherapeut, Zahnarzt und Sattler.
Zur Pflege zählt dabei auch das sorgfältige anpassen aller Arbeitsgeräte und Materialien. Nichts sollte dabei drücken oder unangenehm sein, denn mit einem drückenden Schuh wollen wir doch auch keinen Marathon laufen.

Wie wir sehen sind es einige Faktoren, die einen Einfluss auf unsere Motivation bei der Arbeit haben. Durch den direkten Vergleich zu uns Menschen stellen wir fest, dass dies auch für unsere Pferde gilt.
Wenn auch nur einer dieser Einflussfaktoren nicht stimmt, ist es möglich, dass sich dies negativ auf die Motivation und Kooperation bei der Zusammenarbeit auswirkt.
Natürlich ist es nicht immer möglich, alle äußeren Einflüsse zu kontrollieren und in bester Balance zu halten. Dennoch soll dieser Artikel dazu dienen, uns alle ein wenig zum Nachdenken anzuregen und das Verhalten unserer Pferde nicht vorschnell zu verurteilen. Möglicherweise können bereits kleine Veränderungen Großes bewirken und wir haben wieder einen freudig mitarbeitenden Partner an unserer Seite.

"Happy horse, happy life!" 😀

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